Geschichte extra

Der Räuberberg

Vor reichlich 100 Jahren begann die unaufhaltsame Abtragung des sogenannten „Räuberberges“ bei Phöben zugunsten einer landwirtschaftlichen Nutzung des historischen Geländes. Seitdem gingen die Reste einer slawischen und dann frühdeutschen Burg, Mittelpunkt eines Burgwardiums, sukzessive verloren. Das mehr als 1000-jährige Bodendenkmal war offenbar – wie die Zeugnisse belegen ein wichtiges Zentrum in der Auseinandersetzungen während der ersten Phase der deutschen Ostexpansion vor der ersten Jahrtausendwende.

Die allmähliche Wasserspiegelsenkung in der Havelaue durch Abflussverbesserung hatte Ende des 19.Jahrhunderts die ackerbauliche Nutzung der historischen Havel-Halbinsel in das Blickfeld gerückt. Bis dahin bot das häufig überschwemmte, schwer zugängliche Sumpfgelände auf der Landseite dem Bodendenkmal ausreichend Schutz.

Vor der völligen Abtragung und Einebnung wurden durch die prähistorische Abteilung des Potsdamer Heimatmuseums mehrere Grabungen unternommen, so 1911 und 1913 unter der Lei- tung von Friedrich Bestehorn sowie 1932 unter der Leitung von Richard Hoffmann.

Bestehorn berichtete in der „Potsdamer Tageszeitung“ 1938 sogar in einer Serie mit drei ganzseitigen folgen an den Wochenenden unter dem Titel „Völker und Stämme seit 4000 Jahren mit ihren Spuren im Dorfe Phöben an der Havel“. Spätere, weniger bekannte Veröffentlichungen in der Fachliteratur aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, die sich auf die     Grabungsbefunde des „Räuberberges“ bezogen, rückten neue Ansichten und bisher unbeachtete Fakten und Zusammenhänge in den Vordergrund. Sie ergaben gegenüber den teilweise immer noch bekannten und populären Darstellungen von Bestehorn ein durchaus differenzierteres und neues Bild von der Bedeutung des „Räuberberges“.

Nach Abwanderung großer Teile der Bevölkerung während der großen Völkerwanderung Mitte des ersten Jahrtausend führte die dünne Besiedlung und das Fehlen von Stammeshoheiten zur Ausweitung der Herrschaftsbereiches entfernter Machtzentren.

In das Machtvakuum wanderten allmählich von Osten und Süden slawische Stämme ein. In unserer Heimat siedelten die Stodorane, die in der Havelniederung später unter dem Namen Heveller bekannt sind. Sie waren wohl in der ersten Linie Fischer und wohnten in unmittelbarer Nähe des Wassers. So fanden sich ihre Siedlungs- spuren entlang der Havel, in Phöben insbesondere auf der sagenumwobenen Havelhalbinsel, die heute unter dem Namen „Räuberberg“ bekannt ist, sowie in Bereichen der heutigen Fährstraße.

Auf dem „Räuberberg“ befanden sich zunächst eine slawische und später auch eine deutsche Burganlage. Die unterste bei den Erkundungsgrabungen ermittelte slawische Kulturschicht der „Räuberberg“-Halbinsel lag noch unter dem Burgwall und wurde dann später bei Errichtung des Burgwall-Grabens durchstochen. Sie Stammt deshalb offensichtlich aus einer ziemlich frühen slawischen Siedlungsperiode. Darauf deutet auch die Art der Keramik dieser Schicht.

Es spricht manches dafür, dass die „Räuberberg“-Halbinsel gegenüber den anderen Phöbener Fundstätten der slawischen Zeit der ältere slawische Siedlungsstandort ist. Die slawische Burg wurde aber nach den archäologischen Befunden nicht sogleich nach der Einwanderung der slawischen Bevölkerung errichtet, sondern offensichtlich erst viel später. Vermutlich wurde sie erst mit zunehmenden Einfällen der Deutschen notwendig, die von der Elbe bis in unser Gebiet vordrangen.

Es ist nicht auszuschließen, dass die verkohlten Eichenbalken, der zerborstene Lehmtrog und das angekohlte Getreide – ausgegraben schon durch Friedrich Bestehorn – mit kriegerischen Auseinandersetzungen in Zusammenhang stehen, etwa mit der Invasion der Heere Heinrich I. 927/928.

Etwa die gleiche zeitliche Einordnung wie die Errichtung der Burg scheint für einen der Wälle nebst Graben zuzutreffen, der die Halbinsel nach Westen gegenüber dem Festland sicherte. Zwischen ihm und dem Hauptwall der eigentlichen Burg lag eine dicht besiedelte Vorburg. Dies spricht gegen die These Bestehorns, dass die ganze Anlage nur als Fluchtburg diente.

Dicht besiedelt war auch der Kessel innerhalb des Hauptwalles am Wasser. Die zweite Graben- und Wallanlage, die die Halb- insel zusätzlich gegen das Festland abschirmte, ist nach den ermittelten archäologischen Befunden erst in deutscher Zeit errichtet worden. Nach Übergabe der Brandenburg und Gründung des Bistum Brandenburg 948 wurden auch parallel im Heveller- gebiet (Gau Heveldun) Burgwardien (Burgbezirke) installiert.

Mittelpunkt waren befestigte Burganlagen, häufig aus slawischen Burganlagen entwickelt, so auch im Falle unseres sogenannten „Räuberberges“. Man kann davon ausgehen, dass in den Jahren nach 941 alle Wehranlagen der slawischen Burg auf der Havelhalbinsel erneuert wurden. Zu dieser Zeit wurde offenbar auch der zweite Vorwall angelegt, der die Halbinsel noch stärker zum Festland hin absicherte. Die Gesamtanlage erhielt – wie die archäologischen Befunde zeigten die Dimension und das typische „Reichsschema“ der sächsischen Königs- und späteren Kaiserpfalzen dieser Zeit. Dies lässt darauf schließen, Mittelpunkt eines ziemlich bedeutenden Burgwardiums, das heißt ein deutsches Verwaltungs- und Machtzentrum zur weiteren Eroberung und Festigung der Herrschaft in diesem Gebiet des Caus Heveldun gewesen zu sein.

In einer Urkunde von 981 wurden das Burgwardium Briechouva (Uferaue), der Phöbener Räuberberg, neben zwei anderen Burgwardien an das Kloster Memleben übergeben. Dies war die erste schriftliche Erwähnung der Burganlage auf der Havelhalbinsel bei Phöben. 983 beendete der Große Slawenaufstand die erste Phase der Unterwerfung der Slawengebiete.

Es sollten weitere 175 Jahre nahezu unangefochtener slawischer Herrschaft vergehen, bis die eigentliche deutsche Kolonisation der späteren Mittelmark einsetzte. Die Grabungsbefunde von 1932 besagen, dass die Kulturschicht mit ausschließlich slawischer Keramik durch eine Schwemmsandschicht abgeschlossen wird. Verursacht wurden diese offenbar durch einen Wassereinbruch, der die Erdwälle erodierte. Burg und Vorburg lagen vermutlich lange Zeit wüst.

Eine Umsiedlung der Bevölkerung musste stattgefunden haben, wahrscheinlich in das Gebiet der heutigen Orts- lage von Phöben. Herrmann datiert die Überflutung noch in das 10. Jahrhundert. Er führt in einer Fußnote an, dass im Jahre 988 ganz Westeuropa von starken Fluss- und Seeausuferungen infolge lang andauernder Nieder- schläge heimgesucht wurden.

1157 kam es zu einer Wende. Es ist nicht genau bekannt was in der Zwischenzeit auf der Burganlage geschah. Es ist anzuneh- men, dass durch die oben genannte Umsiedlung die Anlage bis dahin nicht genutzt wurde. Albrecht der Bär wurde von dem Hevellerfürsten Heinrich (Pribislav) als Erbe der Brandenburg eingesetzt.

Durch den Tod Heinrichs 1150 machte der polnische Fürst Jaczo Albrecht das Erbe streitig und zog in die Brandenburg ein. Erst 1157 gelang es Albrecht die Burg einzunehmen und sein Erbe anzutreten. In der Folgezeit wurde dann der ehemalige Herrschaftsbereich des Hevellerfürsten Heinrich durch Neugründung von Burgen bzw. Reaktivierung ehemaliger Burgwardien gesichert. Es gibt keinen Zweifel, dass in diesem Zusammenhang auch die Anlage auf unserer Havelhalbinsel erneuert worden ist. 

Luftbildaufnahme während des Frühjahrhochwassers 1940

Luftbildaufnahme während des Frühjahrhochwassers 1940 Mit der Errichtung des Brandenburger Mühlenstaus und seiner allmählichen Erhöhung durch frühdeutsche Mühlenbetreiber stieg der Havelspiegel sukzessive an. Wegen des geringen Gefälles der Havel wirkte sich der Wasserrückstau schließlich bis Potsdam aus. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Burganlage mit Siedlung zumindest im 12. Jahrhundert, wahrscheinlich aber auch noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als Kolonisationszentrum genutzt werden konnte.

Im Zuge der Kolonisation wurden viele Siedler, darunter viele Holländer und Flamen, hierher ins Land geholt. Von jenen Siedlern (Flamen) die die sich in der Nähe des Räuberberges niederließen ist auszugehen, dass sie die eigentlichen Gründer und Namensgeber Phöbens sind (damals noch Feeben bzw. Veeben). Dessen Lage, infolge der immer mehr steigenden Havel, verlagerte sich wahrscheinlich im 13.Jahrhundert immer weiter zu heutigen Ortslage.

Ende des 13.Jahrhunderts hatten sich die Verhältnisse in der Mittelmark so weit stabilisiert , dass der Schutz der Burg nicht mehr benötigt wurde und man endgültig in die heutige, damals sichere, Ortslage umzog